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Schweizer-Verpackung - News-Corner
 
25.01.2019
 
  
SVI: SVI/JIG Tagung 'Anforderungen an die Lebensmittelverpackung der Zukunft'
    
Mit der "Europäischen Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft" setzt die EU hohe Ziele in Sachen Recycling: Bis zum Jahr 2030 sollen nur noch wiederverwendbare oder rezyklierbare Kunststoffverpackungen auf den Markt kommen. Damit gerät die Kunststoffindustrie unter Druck, betroffen ist aber auch die Lebensmittelindustrie, die in besonderem Masse auf die Vorteile von Kunststoff­verpackungen angewiesen ist. Mehr als 120 Personen nahmen Mitte Januar an einer Fachtagung des Schweizerischen Verpackungsinstituts SVI zu den Anforderungen an die Lebensmittelverpackung der Zukunft vor dem Hintergrund der so genannten EU-Plastikstrategie teil. Experten der Europäischen Kommission, von Nestlé, Migros, dem Bundesamt für Umwelt, Swiss Recycling und aus der Wissenschaft nahmen dabei die Rahmenvorgaben der EU aus verschiedenen Blickwinkeln unter die Lupe.

Dr. Boris Riemer, Rechtsanwalt aus Lörrach, gab zu Beginn der Tagung einen Überblick über die "Europäische Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft". Plastikmüll werde in den Industriestaaten hergestellt, aber in den Entwicklungsländern entsorgt. Das soll sich nach Wunsch der EU bis zum Jahr 2030 grundlegend ändern. Zwar erkenne die EU die Vorteile von Kunststoffverpackungen an, doch angesichts des weltweit zunehmenden Bedarfs an Verpackungen halte die EU ihre Mitgliedstaaten nun dazu an, Alternativen für Kunststoff, bessere Recycling­möglichkeiten, Wege zur Wiederverwendung der Materialien und für die Einsparung von Material zu suchen. Riemers Meinung nach bedeutet die EU-Plastikstrategie "kein Aus für Kunststoff, aber einen anderen Umgang mit Kunststoff". Die Vorgaben der EU seien für die Schweiz zwar nicht zwingend, allerdings sei sie auf die EU-Staaten als wichtigste Handelspartner angewiesen und könne sich deshalb nicht abschirmen.

Hugo Maria Schally, Head of Unit Sustainable Production, Products & Consumption der Europäischen Kommission, erläuterte über eine Liveschaltung aus Brüssel die europäische Kunststoffstrategie aus politischer Sicht und ging dabei auf die verschiedenen Massnahmen und ihre zeitliche Umsetzung ein. So soll die Recyclingquote von Kunststoffen von derzeit knapp 30% auf 50% bis zum Jahr 2025 und weiter auf 55% bis zum Jahr 2030 wachsen. Schon ab dem Jahr 2021 sollen Einwegbesteck aus Plastik, Wattestäbchen und Trinkhalme aus Plastik verboten werden, ebenso wie die sogenannten oxoabbaubaren Kunststoffe. Dazu kommen Vorschriften zum Produktdesign. Beispielsweise müssen Kunststoffverschlüsse und -flaschen künftig miteinander verbunden sein. Auf die kritische Frage aus dem Publikum, ob sich die EU nicht zu sehr auf das Recycling und zu wenig auf die Ökobilanzen konzentriere, antwortete Schally, dass Fragen der Materialminimierung weiterhin im Fokus stünden, genauso wie die Weiter- und Wiederverwertbarkeit. Gerade bei Lebensmittelverpackungen habe die Lebensmittelsicherheit höchste Priorität. Es sollte aber grundsätzlich immer überlegt werden, welche Verpackungen unbedingt notwendig sind und worauf verzichtet werden könne.

Michel Monteil, Leiter der Abteilung Abfall und Rohstoffe des Bundesamtes für Umwelt BAFU, brach in seinem Vortrag "Verpackungen – Fluch oder Segen?" eine Lanze für Kunststoffverpackungen. Siedlungsabfälle machen aktuellen Statistiken zufolge nur 8% der Umweltbelastung pro Person und Jahr in der Schweiz aus, davon seien gerade einmal ein Drittel Verpackungen. Um ein Vielfaches belastender für die Umwelt seien Posten wie Essen, Wohnen, Heizen, Waschen, Autofahren, Fliegen und der Verzehr von Fleisch. Lebensmittel machen insgesamt rund ein Drittel der Umweltbelastungen in der Schweiz aus. Kunststoffverpackungen würden dabei helfen, Foodwaste zu verringern und so einen Beitrag zu einer geringeren Umweltbelastung leisten. Verpackungen schützen die Lebensmittel u.a. vor Keimen, verlängern ihre Haltbarkeit, erleichtern Lagerung und Transport und ermöglichen eine einfache Portionierbarkeit. Die Schweiz habe eine sehr gut funktionierende Abfallwirtschaft, erklärte Monteil. Dadurch sei die Umweltbelastung, die die Schweizer verursachen – trotz hohen Konsums – im internationalen Vergleich gering. Angesichts einer bereits hohen Recyclingquote müsse das Ziel in der Schweiz deshalb nicht sein, "einer maximalen Recyclingquote hinterherzurennen, sondern das ökologische Optimum zu erreichen".

Ähnlicher Meinung war auch Patrik Geisselhardt, Geschäftsführer von Swiss Recycling. Anstelle von maximalen Sammelraten plädierte er für eine ganzheitliche Sichtweise unter Berücksichtigung verschiedener Indikatoren. Dazu gehörten Wirtschaft, Ökologie, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Um Vertreter dieser Partner an einen Tisch zu bringen, wurde in der Schweiz unter der Federführung von Swiss Recycling die "Drehscheibe Kreislaufwirtschaft" gegründet. Sie soll Methoden, Indikatoren und Ziele für eine nachhaltige Abfall- und Kreislaufwirtschaft definieren. Das Design for Recycling soll beispielsweise mit einer Definition, Branchenempfehlungen und Anreizen befördert werden. Für den Einsatz des Rezyklats müssen Qualität, Standards und Labels definiert werden. Das Thema Kreislaufwirtschaft soll auch in Lehre, Weiterbildung und Hochschule etabliert und damit bereits die nächste Generation sensibilisiert werden.

Sven Sängerlaub vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung Freising, widmete sich der Frage der Rezyklierbarkeit aus wissenschaftlicher Sicht. Für Recycler seien Monomaterialien interessant, die einfach recycelt werden können. Was bei Reinigungsmitteln bereits praktiziert werde, sei bei Lebensmittelverpackungen allerdings wesentlich komplizierter. Um Barrierebeschichtungen zu verringern oder ganz weglassen zu können, müssten die Lebensmittel eingehend auf Einflussfaktoren ihrer Haltbarkeit untersucht werden. Hier fehle es an Forschungsgeldern. Dennoch werde intensiv an neuen Recyclingverfahren gearbeitet mit denen beispielsweise Verbundfolien voneinander getrennt oder unerwünschte Gerüche aus recyceltem Material entfernt werden können.

Magdi Batato, Executive Vice President und Head of Operations von Nestlé S.A. sprach über Plastik als Herausforderung und Chance. Nestlé hat bereits im Frühjahr 2018 angekündigt, bis zum Jahr 2025 ausschliesslich rezyklierbare oder wiederverwendbare Verpackungen zu verwenden. So sollen beispielsweise Plastiktrinkhalme durch Trinkhalme aus Papier ersetzt werden, der Recyclinganteil an PET-Flaschen erhöht und auf bestimmte Kunststoffe ganz verzichtet werden. Neben Fragen des Materialeinsatzes sei für das Recycling auch eine entsprechende Entsorgungsinfrastruktur elementar sowie die Beteiligung und Sensibilisierung der Verbraucher. Batato stellte Projekte in verschiedenen Partnerländern vor, mit denen verhindert werden soll, dass Müll in die Umwelt gelangt. Die lokale Infrastruktur werde anschliessend übernommen und ausgebaut, um so dauerhaft für Nachhaltigkeit zu sorgen.

Jasmin Buchs, Projektleiterin Nachhaltigkeit beim Migros-Genossenschafts-Bund, berichtete über Herausforderungen und Lösungsansätze, die rezyklierbare Verpackungen für die Migros mit sich bringen. Die EU-Gesetzgebung sei für ihr Unternehmen wichtig, da Migros seine Produkte auch exportiert. Das Engagement der Migros erstrecke sich auf Mehrweglösungen, den Einsatz von Rezyklaten, zum Beispiel bei PET-Flaschen und Reinigungsmittelflaschen, auf den Einsatz nachwachsender Rohstoffe anstelle von Plastik sowie die Sammlung und Entsorgung von Plastik. Darüber hinaus setze man auf die Information und Aufklärung der Konsumenten. Buchs stellte fest, dass eine wichtige Voraussetzung für die Sinnhaftigkeit recycelter Kunststoffverpackungen jedoch sei, dass die Kunden recycelte Verpackungen auch kaufen, selbst wenn sie anders aussehen oder anders beschaffen sind.

Professor Rudy Koopmans, Direktor des Plastics Innovation Competence Centre in Fribourg, sucht im Rahmen seiner Forschungen nach Lösungen aus der Natur: Welche Verpackungen gibt es dort und welche natürlichen Rohstoffe sind bei uns reichlich vorhanden? Als Beispiele nannte er Proteine aus der Milch oder aus Hühnerfedern, die beispielsweise für die Herstellung von Barrierefolien verwendet werden könnten. Koopmans gab zu bedenken, dass es oft für ein und dasselbe Produkt unzählige Verpackungsvarianten gebe, so könne man Milch in unterschiedlichen Mengen in Glasflaschen, Kartonverbünden, Kunststoffflaschen, flexiblen Beuteln etc. kaufen. Die verschiedenen Systeme und Abfüllanlagen würden viel Geld kosten und hätten schlussendlich einen negativen Einfluss auf die Ökobilanz.

Wie sich die Verpackungswelt in den nächsten Jahren durch die EU-Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft verändern wird, wisse niemand, sagte Philippe Dubois, Präsident des SVI, in seinem Schlusswort und dankte Dr. Karola Krell, die die Tagung moderiert hatte. Die Branche werde sich aber intensiv mit dieser Herausforderung auseinandersetzen und aktiv Lösungen suchen müssen. Das SVI will diesen Prozess begleiten und bietet deshalb am 14. Januar 2020 eine Folgeveranstaltung zu der Fachtagung an. Dann sollen eine Standortbestimmung vorgenommen und weitere erforderliche Entwicklungsschritte besprochen werden.


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